Urlaub verjährt nur, wenn Arbeitgeber darauf hingewiesen hat

Urlaub verjährt nur, wenn der Arbeitgeber darauf hingewiesen hat

Urlaubsanspruch

22. Dezember 2022 – Beitrag von Hannes Schwessinger

Heiß erwartetes Grundsatzurteil: Das Bundesarbeitsgericht hat am 20. Dezember 2022 entschieden, dass der Urlaub von Beschäftigten nur verjährt, wenn der Arbeitgeber zuvor darauf hingewiesen hat, dass ihnen noch Urlaub zusteht und dieser verfällt, wenn er nicht in Anspruch genommen wird.

Erfolgt kein Hinweis des Arbeitgebers, können auch noch Urlaubsansprüche aus vorigen Jahren geltend gemacht werden.

Hintergrund

Grundsätzlich gilt nach nationalem Recht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BurlG: Der Urlaub ist im laufenden Kalenderjahr zu nehmen, ansonsten verfällt er am Ende des Jahres, spätestens aber zum 31. März des Folgejahres.

Jedoch wird das nationale Urlaubsrecht stark durch das Europäische Recht geprägt. So hatte bereits der EuGH im Jahr 2018 (EuGH, Urteil vom 6.11.2018 – C-684/16) entschieden, dass Urlaub nur verfallen kann, wenn der Arbeitnehmer zuvor vom Arbeitgeber hierauf hingewiesen wurde (sog. Hinweis- und Aufklärungspflicht als Obliegenheit des Arbeitgebers). Diese Vorgabe setzte das BAG mit seiner Entscheidung vom 19. Februar 2019 (Az. 9 AZR 423/16) um.

Trotzdem galt zumindest bisher eine Höchstgrenze für die Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs in die Folgejahre: Ein Urlaubsanspruch verjährt aus Gründen der Rechtssicherheit nach drei Jahren, § 195 BGB. Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Schuldner Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat.

Die Entscheidung

Diese Regelung gilt nun nicht mehr. Nach der bisher nur vorliegenden Pressemitteilung urteilte das BAG : Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer europarechtlichen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.

Das BAG hat damit die Vorgaben des EuGH umgesetzt. Nach dessen Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (Az. C-120/21) tritt die Rechtssicherheit (Zweck der Verjährungsfristen) hinter der Gesundheit des Arbeitnehmers (Inanspruchnahme von Erholungsurlaub) zurück. Ansonsten würde zugelassen, dass der Arbeitgeber sich auf sein eigenes Versäumnis eines fehlenden Hinweises an den Arbeitnehmer berufe. Der Arbeitgeber könne Rechtssicherheit erlangen, indem er seiner Obliegenheit, den Arbeitnehmer auf den noch ausstehenden Urlaub hinzuweisen, nachkomme.

Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Offen bleibt allerdings die Frage, ob die Entscheidung auch für einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BurlG gilt. Es bleibt abzuwarten, was die Entscheidungsgründe hierzu offenbaren.

Nach aktueller Rechtslage, gelten hierfür die regelmäßige Verjährungsfrist mit Beginn Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) und der Schuldner Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat sowie vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen. Dies hat das BAG noch vor kurzem in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2022 (Az. 9 AZR 461/21) mitgeteilt.

Handlungsempfehlung

Es ist jetzt wichtiger denn je, dass Arbeitgeber spätestens am Ende eines Jahres nachweislich ihre Arbeitnehmer rechtzeitig (so dass der Arbeitnehmer den Urlaub noch nehmen kann) auf noch bestehende Urlaubsansprüche hinweisen. Zudem sollte in Arbeitsverträgen der gesetzliche vom darüber hinaus zugesagten vertraglichen Urlaubsanspruch getrennt und einem eigenen Regelungsregime unterworfen werden. Denn die Entscheidung des BAG gilt lediglich für den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Der vertragliche Urlaubsanspruch kann vom Arbeitgeber freier geregelt werden.