Kündigung unwirksam wegen fehlender Vollmachtsurkunde? Häufig zu früh gefreut!
11. August 2016 – Beitrag von
Wird eine Kündigung nicht durch den Arbeitgeber bzw. seinen gesetzlichen Vertreter (z.B. Geschäftsführer einer GmbH), sondern durch einen in seinem Namen handelnden Mitarbeiter gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochen, stellt sich häufig die Frage, ob der Vertreter bevollmächtigt war. Dies gilt erst recht, wenn der Erklärende überhaupt nicht zu erkennen gibt, dass er im Namen und in Vollmacht des Arbeitgebers agiert.
In solch einem Fall wird § 174 BGB bedeutsam, wonach ein einseitiges Rechtsgeschäft – insbesondere eine Kündigung – unwirksam ist, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.
Diese Norm dient dazu, bei einseitigen Rechtsgeschäften, die nicht der Zustimmung der anderen Partei bedürfen, klare Verhältnisse zu schaffen. Dem Arbeitnehmer soll hierdurch die – häufig nicht zu bewältigende Aufgabe – abgenommen werden, nachforschen zu müssen, welche Stellung der Erklärende im Unternehmen hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden ist.
Als Rechtsfolge sieht § 174 Satz 1 BGB daher vor, dass der Erklärungsempfänger zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt ist, wenn er keine Gewissheit darüber hat, ob der Erklärende tatsächlich bevollmächtigt ist.
Die Gewissheit über die Bevollmächtigung kann beim Arbeitnehmer einerseits durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde und anderseits durch ein „In-Kenntnis-Setzen“ erfolgen.
Die Vollmachtsurkunde ist dem Arbeitnehmer im Original mit der Unterschrift des Arbeitgebers vorzulegen. Eine beglaubigte Kopie, ein Telefax oder eine per E-Mail eingeräumte Vollmacht reichen nicht aus. In diesen Fällen kann der Arbeitnehmer die Kündigung trotzdem zurückzuweisen. Die Zurückweisung hat aber unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen. Dies entspricht regelmäßig einem Zeitraum von maximal 3 Tagen.
Eine Vollmachtsurkunde muss nicht vorgelegt werden, wenn der Arbeitnehmer bereits anderweitig von der Bevollmächtigung erfahren hat. Das „In-Kenntnis-Setzen“ muss aber ein gleichwertiger Ersatz für die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sein. Hieran werden vom Bundesarbeitsgericht jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt. So reicht es aus, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter, zum Beispiel durch die Bestellung zum Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung, in eine Stelle berufen hat, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden ist. Erforderlich ist jedoch, dass die bloß interne Übertragung einer solchen Funktion nach außen im Betrieb ersichtlich ist oder eine sonstige Bekanntmachung erfolgt.
Lässt sich die Vertretungsbefugnis, wie bei einem Prokuristen, dem Handelsregister entnehmen, bedarf es keiner weiteren Verlautbarung. Eine direkte Kundgabe der Bevollmächtigung und der Person des Bevollmächtigten ist in diesen Fällen aufgrund der Publizität des Handelsregisters entbehrlich.
Fazit:
Bei einer Kündigung, die nicht durch den Arbeitgeber bzw. seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet ist, muss eine entsprechende Vollmachtsurkunde vorgelegt werden. Anderenfalls steht dem Arbeitnehmer ein Zurückweisungsrecht zu, das zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann. Hierauf darf sich der Arbeitnehmer jedoch nicht „ausruhen“, sondern er muss die Kündigung unter Hinweis auf die fehlende Vollmachtsurkunde möglichst sofort zurückweisen. Dem Arbeitnehmer steht jedoch kein Zurückweisungsrecht zu, soweit er von der Bevollmächtigung des Kündigungsausstellers bereits anderweitig in Kenntnis gesetzt wurde.
Für Arbeitgeber bietet die Möglichkeit des „In-Kenntnis-Setzens“ den Vorteil, auf die Ausstellung einzelner Vollmachtsurkunden zu verzichten. Sie können ihre Mitarbeiter stattdessen unkompliziert durch Aushang oder Rundschreiben über die kündigungsberechtigten Personen des Betriebs unterrichten. Hierbei ist sicherzustellen, dass jeder Mitarbeiter zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt. Die Vertreter müssen namentlich benannt sein. Auch bei neu eingestellten Arbeitnehmern muss sichergestellt werden, dass sie Kenntnis von den erteilten Bevollmächtigungen erlangen. Gleiches gilt bei Änderungen der bevollmächtigten Personen. Vorsorglich sollte auch die Kündigungsberechtigung von Mitarbeitern, die im Handelsregister einzutragen sind, im Betrieb verkündet werden. Denn einerseits kann sich eine Eintragung verzögern, andererseits tritt die Publizitätswirkung erst 15 Tage nach Eintragung ein.