Verschärfung der Anforderungen bei der Kündigung von Schwerbehinderten
2. März 2017 – Beitrag von
Mit dem Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes zum 1. Januar 2017 ist für die Wirksamkeit der Kündigung eines Schwerbehinderten oder diesen Gleichgestellten zukünftig zusätzlich zur Zustimmung des Integrationsamtes auch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX erforderlich.
Als schwerbehindert gilt ein Arbeitnehmer mit einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50. Neben Schwerbehinderten haben auch diesen gleichgestellte Menschen den besonderen Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wenn sie einen anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 30 haben und ihrem Antrag auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten stattgegeben wurde.
Schwerbehinderte und diesen gleichgestellte Menschen können sich auf den besonderen Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX berufen. Der Arbeitgeber sollte daher vor dem Ausspruch der Kündigung die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Andernfalls könnte der Gekündigte mit Erfolg die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen.
Bisherige Regelung
Auch nach der bisherigen Rechtslage war die Schwerbehindertenvertretung zwar grundsätzlich vor dem Ausspruch der Kündigung zu beteiligen. Eine unterbliebene vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung führte jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern lediglich zur Aussetzung der Durchführung oder Vollziehung der Entscheidung. Dies hatte zur Folge, dass die Integrationsämter vor ihrer Zustimmungsentscheidung nach § 85 SGB IX bislang das Verfahren bei einer unterbliebenen Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zunächst aussetzten und dem Arbeitgeber so die Möglichkeit gaben, die Beteiligung innerhalb von 7 Tagen nachzuholen.
Selbst, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht einmal nachträglich beteiligte und das Integrationsamt der Kündigung trotzdem zustimmte, blieb die Kündigung wirksam. Die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hatte daher bislang keine sehr weitreichenden Folgen für den Arbeitgeber.
Neuregelung ab 1. Januar 2017
Mit der Neufassung des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist die Kündigung zukünftig jedoch unwirksam, wenn der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor dem Ausspruch der Kündigung versäumt.
Die formalen Anforderungen an die Kündigung eines Schwerbehinderten und diesen Gleichgestellten sind damit erheblich gestiegen. Arbeitgeber müssen daher vor dem Ausspruch der Kündigung neben der Anhörung des Betriebsrats und der Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes zukünftig auch noch die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sicherstellen. Die Schwerbehindertenvertretung muss bei dem beabsichtigten Ausspruch einer Kündigung vor der Beantragung der Zustimmung des Integrationsamtes beteiligt werden.
Da das Gesetz jedoch weder Art und Weise der Anhörung noch Anhörungs- und Stellungnahmefristen regelt, bleibt abzuwarten, wie sich die Voraussetzungen an eine ordnungsgemäße Anhörung nach der Rechtsprechung entwickeln werden. Bis dahin ist Arbeitgebern zu empfehlen, sich an den Äußerungsfristen im Zusammenhang mit den Betriebsratsanhörungen nach § 102 BetrVG zu orientieren. Hat die Schwerbehindertenvertretung Bedenken gegen eine Kündigung, hat sie diese innerhalb von einer Woche bei ordentlichen Kündigungen oder innerhalb von 3 Tagen bei außerordentlichen Kündigungen mitzuteilen. Erfolgt eine Äußerung innerhalb dieser Frist nicht, sollte der Arbeitgeber sicherheitshalber zunächst noch ein weiteres Mal fragen und zur Stellungnahme auffordern. Unterbleibt die Äußerung weiterhin, kann die Zustimmung beim Integrationsamt beantragt und der Betriebsrat angehört werden. Stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu und wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört, dürfte die nachfolgende Kündigung die besonderen formellen Voraussetzungen bei Schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Menschen erfüllen.