Arbeitsrechtliche Neuregelungen für die Corona-Krise
Ein Überblick der Maßnahmen
30. März 2020 – Beitrag von
In den letzten Wochen wurde mit unterschiedlichen Gesetzen ein ganzes Maßnahmenpaket beschlossen, um die wirtschaftlichen Folgen und Belastungen der aktuellen Corona-Krise einzudämmen.
Nachdem mit dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld am 13. März 2020 bereits erste Neuregelungen beschlossen wurden, folgten am 25. März 2020 das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und das Gesetzs für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (sog. Sozialschutz-Paket). Diese Gesetze enthalten auch wichtige arbeitsrechtliche Regelungen, die sich einteilen lassen in
- Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unterstützung von Unternehmen
- Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unterstützung von Arbeitnehmern und
- Maßnahmen zur Anreizschaffung
Wir geben Ihnen einen Überblick dazu.
I. Unterstützung von Unternehmen
1. Erleichterte Zugangsvoraussetzungen für Kurzarbeitergeld Mit Gesetz vom 13. März 2020 wurde der Bundesregierung erlaubt, kurzfristig Sonderregelungen einzuführen, die den Bezug von Kurzarbeitergeld erleichtern. Davon hat die Bundesregierung in der Zwischenzeit Gebrauch gemacht und am 23. März 2020 eine Kurzarbeitergeldverordnung erlassen. Danach gilt nun rückwirkend seit dem 1. März 2020 und voraussichtlich zunächst bis zum 31. Dezember 2020:
- Abweichend von § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III genügt es für den Bezug von Kurzarbeitergeld, wenn 10% der im Betrieb Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind.
- Außerdem kann als Ausnahme zu § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III auf den Aufbau von Minusstunden im Arbeitszeitkonto zur Vermeidung von Kurzarbeit vollständig oder teilweise verzichtet werden.
- Schließlich werden den Arbeitgebern die von ihnen allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, erstattet.
2. Kurzarbeit für Leiharbeitnehmer Bisher konnte mit Leiharbeitnehmern keine Kurzarbeit vereinbart werden, weil dies gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG verstößt. Danach ist es dem Verleiher untersagt, den Vergütungsanspruch des Leiharbeitnehmers bei Annahmeverzug für beschäftigungslose Zeiten aufzuheben oder zu beschränken. Der Arbeitgeber trägt das Risiko, dem Leiharbeitnehmer weiterhin Vergütung zahlen zu müssen, auch wenn er ihn nicht in einem Entleihbetrieb einsetzen kann. Mit dem ersten Maßnahmenpaket vom 13. März 2020 wurde hierzu mit § 11a AÜG die Möglichkeit für eine Ausnahme bei außergewöhnlichen Arbeitsmarktverhältnissen geschaffen. Eine entsprechende Verordnung hat die Bundesregierung inzwischen erlassen. Dadurch haben nun auch Verleihbetriebe die Möglichkeit, Kurzarbeit zu vereinbaren und die Leiharbeitnehmer die Chance für den Bezug von Kurzarbeitergeld.
II. Unterstützung von Arbeitnehmern
Entschädigung bei Kinderbetreuung
Bisher erhielten Arbeitnehmer*innen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz nur, wenn sie ihre Arbeit aufgrund einer behördlichen Anordnung zur Quarantäne nicht erbringen konnten, weil die Gefahr bestand, dass von ihnen eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Für Arbeitsverhinderungen wegen Kinderbetreuung sah das Infektionsschutzgesetz keinen Ausgleich vor. Es bestand allenfalls die Möglichkeit einer Entgeltfortzahlung für wenige Tage nach § 616 BGB, wobei die Voraussetzungen aber höchst umstritten sind und die Regelung in vielen Arbeitsverträgen ohnehin ausgeschlossen ist. Das am 25. März 2020 verabschiedete Gesetz sieht mit dem neuen § 56 Abs. 1a IfSG ab dem 30. März 2020 nun auch einen Entschädigungsanspruch bei vorübergehenden behördlichen Schließungen von Kindertageseinrichtungen oder Schulen vor. Den Anspruch haben Sorgeberechtigte mit Kindern unter 12 Jahren oder mit Behinderung. Allerdings besteht er nur, wenn keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt ist. Dies ist sowohl der zuständigen Behörde als auch dem Arbeitgeber auf Verlangen darzulegen. Als zumutbare Betreuungsmöglichkeit gelten nach der Gesetzesbegründung ein Anspruch auf eine sog. Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder der Schule, aber auch eine Betreuungsmöglichkeit durch den anderen Elternteil oder andere hierzu bereite Familienmitglieder oder Verwandte. Eine Betreuung durch Risikogruppen, wie die Großeltern, wird aber nicht verlangt. Die Schließung oder das Betretungsverbot müssen der einzige Grund für den Verdienstausfall sein. Es besteht daher beispielsweise kein Entschädigungsanspruch, wenn sich ein Entgeltfortzahlungsanspruch aus anderer gesetzlicher, tariflicher, betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Grundlage ergibt. Zu denken ist hier z.B. an den Abbau von Überstunden oder wenn bereits gar keine Arbeitspflicht besteht, weil Kurzarbeit vereinbart ist. Auch die Möglichkeit ortsflexiblen Arbeitens (homeoffice) soll den Entschädigungsanspruch nach der Gesetzesbegründung ausschließen, wenn dies zumutbar ist. Während ohnehin bestehender Schließzeiten, insbesondere den Schulferien, besteht kein Entschädigungsanspruch. Die Entschädigung kann für 6 Wochen gezahlt werden. Sie beträgt 67 % des Verdienstausfalls, ist jedoch auf 2.016,00 EUR pro Monat begrenzt. Die Auszahlung erfolgt durch den Arbeitgeber, der gegenüber der Behörde einen Erstattungsanspruch hat. Für den Erstattungsantrag gilt die 3-Monats-Frist gemäß § 56 Abs. 11 IfSG. Nach § 56 Abs. 12 IfSG kann der Arbeitgeber bei der Behörde auch einen Vorschuss beantragen.
III. Maßnahmen zur Vermeidung von Personalengpässen
Während viele Betriebe derzeit mit einem erheblichen bis vollständigen Ausfall ihres Geschäftsbetriebes kämpfen, besteht vor allem in sog. systemrelevanten Bereichen akuter Beschäftigungsbedarf. Die gesetzlichen Neuregelungen sehen daher auch Maßnahmen vor, die für Arbeitnehmer Anreize für Tätigkeiten in diesen Bereichen schaffen und gleichzeitig Unternehmen ermöglichen sollen, diese ohne zusätzliche Belastungen in Anspruch zu nehmen.
1. Keine Anrechnung von Nebenverdienst während der Kurzarbeit
In der Zeit vom 1. April 2020 bis zum 31. Oktober 2020 wird während des Bezugs von Kurzarbeitergeld die Vergütung aus einer Nebentätigkeit nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet, wenn die Nebentätigkeit zu den systemrelevanten Tätigkeiten gehört und das Entgelt aus der neu aufgenommenen Beschäftigung zusammen mit dem Kurzarbeitergeld und dem verbliebenen Entgelt aus der ursprünglichen Beschäftigung die Höhe des ursprünglichen Bruttoentgeltes aus der Hauptbeschäftigung nicht übersteigt. Außerdem sind die Nebenbeschäftigungen versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung.
2. Lockerung des Arbeitszeitgesetzes
§ 14 Abs. 4 ArbZG enthält nun eine bis zum 31. Dezember 2020 befristete Verordnungsermächtigung, die es dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit in außergewöhnlichen Notfällen mit bundesweiten Auswirkungen erlaubt, angemessene Ausnahmen von den Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes festzulegen für Branchen, die zur Aufrechtverhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsoge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existentiellen Gütern notwendig sind.
3. Ausweitung der Zeitgrenzen einer kurzfristigen Beschäftigung
Durch den neuen § 115 Abs. 4 SGB IV werden die bisherigen Beschränkungen für sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse von 3 Monaten oder 70 Arbeitstagen pro Kalenderjahr vorübergehend auf 5 Monate oder 115 Arbeitstage verlängert. Die Ausnahme gilt rückwirkend ab dem 1. März 2020 bis zum 31. Oktober 2020. Sie soll vor allem Problemen bei der Saisonarbeit insbesondere im Bereich der Landwirtschaft durch die Corona-Krise Rechnung tragen. Die Maßstäbe für die Prüfung der Berufsmäßigkeit bleiben jedoch unverändert.
4.Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen für Rentner
Um auch für Rentner mit vorgezogener Altersrente die vorübergehende Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit attraktiv zu machen, gilt für das Kalenderjahr 2020 eine Ausnahme von den Hinzuverdienstgrenzen gemäß § 34 Abs. 2 SGB VI. Durch das „Sozialschutz-Paket“ können diese Rentner im Kalenderjahr 2020 nun nicht wie bisher lediglich 6.300,00 € hinzuverdienen, sondern 44.590,00 €, ohne dass ihre Altersrente gekürzt wird.