Abwerben von Kollegen
Konsequenzen für Arbeitnehmer und Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber
19. August 2019 – Beitrag von
Während der Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer derzeit wohl kaum besser sein könnte, wird es für Arbeitgeber immer schwieriger, neue Mitarbeiter zu finden. Einer der Hauptgründe: Fachkräftemangel. Aufgrund der guten Arbeitsmarktlage müssen sich Unternehmer daher auch damit auseinandersetzen, wie sie ihre Arbeitnehmer halten und sich vor Abwerbung durch Konkurrenten oder (ehemalige) eigene Mitarbeiter schützen.
Während der Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer derzeit wohl kaum besser sein könnte, wird es für Arbeitgeber immer schwieriger, neue Mitarbeiter zu finden. Einer der Hauptgründe: Fachkräftemangel. Aufgrund der guten Arbeitsmarktlage müssen sich Unternehmer daher auch damit auseinandersetzen, wie sie ihre Arbeitnehmer halten und sich vor Abwerbung durch Konkurrenten oder (ehemalige) eigene Mitarbeiter schützen.
Es ist heute keine Seltenheit mehr, dass die eigenen Mitarbeiter versuchen, neben den Kunden ihres noch aktuellen Arbeitgebers auch ihre Kollegen abzuwerben. Abgeworben wird gerade dann, wenn sie bereits eine konkrete Anschlussbeschäftigung in Aussicht haben oder planen, sich selbstständig zu machen. Zum Teil führt das zu Abwanderungen von ganzen Teams oder zur Gründung von konkurrierenden Spin-offs.
Wenn das passiert, stellt sich häufig die Frage nach den arbeitsrechtlichen Konsequenzen und den Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber.
Wann wird der laufende Arbeitsvertrag verletzt?
Solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, ist die Abwerbung von Arbeitskollegen ausnahmslos unzulässig. Das gilt auch für Zeiten der Freistellung nach einer Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber muss dieses Verhalten auch nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag als unzulässig regeln. Den Arbeitnehmer trifft eine allgemeine arbeitsvertragliche Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber: Er darf ihm für die Dauer der Vertragslaufzeit keine Konkurrenz machen.
Lediglich bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers noch nicht unmittelbar eingreifen, sind keine Vertragspflichtverletzung und zulässig. Die Grenze zwischen verbotenem Abwerben und erlaubten Gesprächen unter Arbeitskollegen über einen beabsichtigten Stellenwechsel ist im Einzelfall aber oft schwer zu ziehen. Die Schwelle zur unzulässigen Abwerbung ist nach den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts überschritten, wenn ein Arbeitnehmer ernsthaft und beharrlich auf Kollegen einwirkt, um sie zu veranlassen, für den Abwerbenden oder einen anderen Arbeitgeber tätig zu werden. Beispielsweise hat es dementsprechend einen Wettbewerbsverstoß bei einer Mitarbeiterin eines Pflegedienstes angenommen, die ihre Kollegen in eine Bäckerei eingeladen hatte, ihnen dort einen Wechsel in ihr neues Unternehmen vorschlug und dabei auch gleich noch Mustertexte für die Kündigungen ihrer bisherigen Arbeitsverhältnisse bereitstellte, die an Ort und Stelle unterzeichnet wurden (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 233/18).
Was ist, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist?
Nach Ablauf der Kündigungsfrist endet das gesetzliche Wettbewerbsverbot. Ehemalige Mitarbeiter dürfen ihrem früheren Arbeitgeber dann nicht nur Konkurrenz machen. Sie dürfen grundsätzlich auch frühere Kollegen abwerben. Nur in bestimmten Fällen, insbesondere wenn unerlaubte Mittel zur Abwerbung eingesetzt werden oder der verfolgte Zweck verwerflich ist (beispielsweise weil der ehemalige Arbeitgeber gezielt geschädigt werden soll), kann die Abwerbung nach den Vorschriften des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) trotzdem unzulässig sein.
Soll auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses – zumindest für eine gewisse Zeit – ein Abwerben ganz untersagt sein, muss ein nachvertragliches Abwerbeverbot vereinbart werden. Gegebenenfalls wird dafür aber eine Karenzentschädigung fällig.
Welche Ansprüche hat der Arbeitgeber und welche Probleme gibt es?
Laut Bundesarbeitsgericht ist ein Verstoß gegen das vertragsimmanente Wettbewerbsverbot an sich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche und fristlose Kündigung. Meist hilft das aber nicht wirklich, da der Arbeitgeber von den „Machenschaften“ des abwerbenden Mitarbeiters erst dann erfährt, wenn dieser längst ausgeschieden ist. Eine außerordentliche Kündigung kommt also in den meisten Fällen gar nicht mehr in Betracht. Es bleibt dann nur, gegenüber dem abwerbenden Mitarbeiter Unterlassungs- und/oder Schadenersatzansprüche geltend zu machen.
So kann aber allenfalls verhindert werden, dass weitere Mitarbeiter abgeworben werden. Mitarbeiter, die bereits zur Kündigung überredet wurden und sich zum Wechsel entschlossen haben, können daran nicht gehindert werden. Denn selbstverständlich kann jeder Mitarbeiter jederzeit (unter Wahrung entsprechender Fristen) eine Kündigung aussprechen. Es steht jedem frei, seinen Arbeitgeber selbst zu wählen. Das kann auch nicht vertraglich verboten werden.
Zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen muss der Arbeitgeber einen entstandenen Schaden nachweisen. Das ist in der Praxis äußerst schwierig, weil sich der Schaden, den ein Arbeitgeber dadurch erleidet, dass ein Mitarbeiter abgeworben wird, in den meisten Fällen nur schwer bestimmen und vor allem sehr schwer nachweisen lässt. Nur wenn für die Kündigungsentscheidung eines Mitarbeiters die unzulässigen Abwerbebemühungen eines Kollegen allein ursächlich waren, kommt überhaupt ein Ersatz von u.a. Kosten für die Nachbesetzung der Stelle, für eine zeitweilige Vertretung oder andere wirtschaftliche Nachteile, die entstanden sind, in Betracht.
Praxistipp: Präventiv vorgehen und stark kommunizieren!
Rechtlich sollten sich Arbeitgeber daher besser im Vorfeld durch die Vertragsgestaltung absichern.
Neben nachvertraglichen Wettbewerbs- und Abwerbeverboten sind Vertragsstrafen für Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot vor und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von immenser Bedeutung. Vertragsstrafen haben den Vorteil, dass kein Schaden nachgewiesen werden muss.
Um sich davor zu schützen, dass vor allem Leistungsträger zumindest nicht kurzfristig wechseln, können Kündigungsfristen helfen, die über die gesetzlichen Mindestfristen hinausgehen, dann aber für beide Seiten gelten müssen.
Davon abgesehen gilt aber auch: Nur zufriedene Mitarbeiter sind treue Mitarbeiter und weniger anfällig für Abwerbeversuche. Das Augenmerk des Arbeitgebers sollte deshalb stets auf der Mitarbeiterbindung liegen. Wichtig dafür kann auch das „Gesamtpaket“ der Arbeitsbedingungen sein. Denn neben der Höhe der Vergütung sind auch flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten, angemessene Urlaubsregelungen u.ä. meist maßgeblich mit entscheidend dafür, ob sich Mitarbeiter überhaupt dazu verleiten lassen wollen, ihr Arbeitsverhältnis zu wechseln.